von Kerstin Güntzel
Mit zehn, elf Jahren geht es meist los: Auf der feinen, glatten Kinderhaut wachsen plötzlich Mitesser und kleine Beulen. Die tun oft nicht nur weh, sondern sehen auch noch doof aus. Super, wenn man sowieso schon zu kämpfen hat mit dem Körper, der sich gerade so verändert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun: wirksame Medikamente, aber auch alternative Methoden. Wir haben zwei gefragt, die sich auskennen.
Das sagt der Hautarzt
Der Dermatologe Dr. Markus Reinholz leitet die Akne-Sprechstunde der Universitätsklinik München und behandelt im Jahr rund 300 junge Leute, die mit Pickeln kämpfen.
Wodurch entsteht das Pickelproblem?
Die juvenile (jugendliche) Akne ist Testosteron-abhängig. Deshalb sind Jungen meist schwerer betroffen. Die Talgdrüsen müssen sich in dieser Übergangsphase vom kindlichen zum erwachsenen Stoffwechsel erst an die höheren Spiegel der Sexualhormone gewöhnen. Das kann anfangs zu vermehrter Talgproduktion führen. Es bildet sich eine Entzündung, die Talgdrüsen verstopfen, und es kommt zu den ungeliebten Pickeln.
Wie viele leiden darunter?
Wir Hautärzte sprechen schon von juveniler Akne, wenn Komedonen – das sind Mitesser – auftreten. Nach dieser Definition leiden heute bis zu 95 Prozent der Jugendlichen irgendwann einmal unter diesem Hautproblem. Also fast alle. 30 Prozent davon plagen sich mit mittlerer und schwerer Akne herum.
Wann beginnt die Akne typischerweise?
In der Pubertät: In einigen Fällen kann sie bereits mit acht oder neun Jahren auftauchen. Üblicherweise ist der klassische Peak zwischen zwölf und 17 Jahren. Ich rate jedem, schon bei den ersten Mitessern, Knötchen und Eiterbläschen zum Hautarzt zu gehen. Mein Motto lautet: "Hit hard and early"– lieber gleich eine starke Therapie durchführen, als zu lange zu warten und dann schlimmstenfalls hässliche Narben zu riskieren.
Auf welche Medikamente setzen Sie?
Die Basistherapie ist eine zweimal tägliche Gesichtsreinigung mit einem anti-entzündlichen Akne-Syndet. Bitte keine Seife! Darüber hinaus sollte der Jugendliche zügig eine medikamentöse Behandlung beginnen. Eine leichte "Acne comedonica"kann man mit milden lokalen Retinoiden als Creme behandeln. Das sind Derivate (Abkömmlinge) von Vitamin A. Helfen sie nicht, geht man zu Fixkombinationen über – zu Arzneien, die zwei oder mehrere Wirkstoffe enthalten. Bei der stärksten Akne-Form wirken systemische Retinoide zum Einnehmen in Tablettenform hervorragend. Allerdings haben viele Patienten und deren Eltern Angst vor Nebenwirkungen wie schlimmstenfalls Leberfunktionsstörungen, Erhöhung der Blutfettwerte, Austrocknen der Schleimhäute, Stimmungsschwankungen oder Depressionen. Es besteht auch das Risiko einer Fruchtschädigung. Deshalb sollten Mädchen während der Therapie auch verhüten. All diese Nebenwirkungen treten jedoch selten auf. Und wenn man die Behandlung unter guter ärztlicher Kontrolle durchführt, überwiegen die positiven Effekte bei Weitem. Sie beugt auch der Narbenbildung vor. Danach sollte die Akne vollständig verschwunden sein, ab und zu folgt dann vielleicht noch eine Erhaltungstherapie.
Machen kosmetische Behandlungen Sinn?
Ja. Bei milder bis mittlerer Akne lasse ich meine Therapien immer begleiten von Fruchtsäurepeelings oder Mikrodermabrasion, einem Hautpeeling, das mit speziellen Schleifaufsätzen durchgeführt wird. Bei schweren Formen würde ich die kosmetische Behandlung aber zunächst zurückstellen, weil man die akute Entzündung sonst womöglich noch fördert. Für die tägliche Pflege zu Hause setze ich auf spezielle, seifenfreie Anti-Akne-Reinigung mit nicht-komedogener Kosmetik und einem pH-Wert von 5,5. Gut sind abschuppende Inhaltsstoffe wie Frucht-, Glykol-, Milch- oder Salicylsäure. Außerdem sollten in Pflegeprodukten auch antientzündliche Inhaltsstoffe enthalten sein.
Welche Lebensmittel reduziert man besser?
Weißen Zucker und Fastfood: Aus eigener Forschung weiß ich, dass Lebensmittel mit hohem glykämischen Index, die den Blutzucker schnell ansteigen lassen – wie Haushaltszucker, Weißbrot oder Fastfood – einen Entzündungsprozess auslösen und verstärken. Nahrung, die Zucker nur langsam freisetzt, ist dagegen unproblematisch. Dazu gehören Eier, Fisch, Hafer, Dinkel, Hülsenfrüchte Walnüsse, Obst, Salat und Gemüse. Oft reicht es auch schon aus, Pizza, Pommes oder Eis zu reduzieren. Oder zumindest das ein oder andere probeweise wegzulassen. Ein kompletter Verzicht ist sicher nicht sinnvoll. Eine ausgewogene mediterrane Kost dagegen schon.
Und wie sieht es mit Milch aus?
Mein Kollege, Professor Bodo Melnik, Dermatologe an der Universität Osnabrück, macht vermehrten Milchkonsum für Akne mitverantwortlich. Das sehe ich genauso. Auch eine Studie aus Italien von 2012 mit 205 Akne-Patienten zwischen zehn und 24 Jahren kam zum gleichen Ergebnis. Milch ist ja eigentlich eine Mastnahrung mit Wachstumshormonen und einer wahnsinnigen Nährstoff-Menge. Der Mensch ist ohnehin das einzige Säugetier, das im Erwachsenenalter noch Säuglingsnahrung, sprich Milch, zu sich nimmt. Hier macht’s vor allem die Menge. Ein halbes Glas am Tag ist vermutlich kein Thema. Aber wenn junge Männer zum Muskelaufbau ihre Ernährung zusätzlich mit Shakes aus reinem Kuhprotein und mit hoch angereicherten Vitaminen ergänzen, sind Pickel und unreine Haut oft vorprogrammiert.
Was geht gar nicht?
An den Pickeln herumdrücken und sich ständig ins Gesicht fassen. Zigaretten und Alkohol sind auch kontraproduktiv. Sonne bessert Akne zwar, aber als Hautarzt kann ich übermäßiges Bräunen auf keinen Fall empfehlen, da dies zu Hautalterung und Hautkrebs führt.
Und wenn schon Narben da sind?
Auch dagegen gibt es Therapien, wie etwa Fruchtsäure-Peelings, Lasersitzungen oder Dermabrasionen. Aber sie sind teuer: Die Preisspanne reicht hier von wenigen Hundert Euro bis hin zu mehreren Tausend Euro pro Sitzung bei Kombinationsbehandlungen. In der Regel zahlt die Krankenkasse nicht. Doch selbst damit lässt sich die Haut nicht in ihren Ursprungszustand zurückversetzen. Man kann nur die Symptome lindern und das Hautbild verfeinern.
Social Media als Pickelkiller?
Gerade wird auf TikTok Chlorophyll, der Stoff, der Pflanzen grün färbt, als Wunderwaffe gegen Akne gehypt. Pssst: Anstatt sich teure Nahrungsergänzung zu kaufen, kann man auch einfach jeden Tag eine Kanne grünen Tee trinken oder ganz viel Salat, Petersilie und Spinat essen.
Stress züchtet schlechte Hautbakterien
Forscher der University of California in San Francisco haben 2007 im Mäuseversuch entdeckt, warum die Haut bei Stress zu Entzündungen und Pickeln neigt: Standen die Tiere zu sehr unter Strom, bauten sich schützende Eiweißstoffe auf der Mäusehaut stark ab. Gleichzeitig vermehrten sich Hautinfektionen durch das Bakterium Streptococcus pyogenes schneller und waren resistenter als bei gechillten Nagern.
Das sagt die Heilpraktikerin
Ulrike Töpperwien aus Friedrichsdorf bei Frankfurt am Main (toepperwien-heilpraktiker.de) arbeitet seit 27 Jahren als Heilpraktikerin. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Akne-Behandlung, die bei ihr in mehreren Schritten verläuft.
"Ich schaue mir zunächst in einer zweistündigenErstanamnesedie Ernährung und Lebensweise meiner Patienten an. Schlafen sie genug, haben sie viel Stress, sind sämtliche Ausleitungswege des Körpers frei? Denn in der chinesischen Medizin gilt: Was Darm, Leber, Nieren und Lunge nicht schaffen zu entgiften, muss am Ende die Haut leisten. Und da Heilung nach meinem Verständnis immer von innen nach außen geschieht, wird die Haut erst ganz zum Schluss gesund.
Gleichzeitig empfehle ich eineDarmreinigung. Voraussetzung hierfür ist eine Stuhluntersuchung im Labor, damit ich weiß, wie die Darmflora zusammengesetzt ist, ob es Pilzbesiedlungen, Parasiten oder Entzündungen gibt. Denn Darm und Haut beeinflussen einander sehr. Je abwechslungs- und vitalstoffreicher die Nahrung ist und je mehr unterschiedliche Ballaststoffe man zu sich nimmt, desto vitaler ist das Mikrobiom, also die Darmflora. Anfangs machen die Mädchen und Jungs bei mir deshalb eine ein- bis zweiwöchige Darmreinigungs-Kur mit basenorientierter Ernährung: Dazu gehören Obst und Gemüse, Wasser, Tee, im Idealfall kein Zucker, wenig Gluten, am besten kein Weizen und keine Milchprodukte. Dafür unter anderem Floh- oder Leinsamen sowie Walnussblätter. Außerdem rate ich Akne-Geplagten, Fluor, Jod und Chlor zu reduzieren. Diese Halogene werden über die Haut ausgeschieden und sind oft in Salzen enthalten. Gute Alternativen sind zum Beispiel Meer- oder Ursalz.
Bei der äußeren Behandlunghabe ich gute Erfahrungen mitHeilerde-Maskengemacht. Und mit milden Waschlotionen, Akne-Wasser oder sanften Waschpasten von Naturkosmetik-Herstellern, die den pH-Wert der Haut regulieren. Sind die Pickel entzündet, verordne ichCalendula-Tinktur.AuchCreme mit Propolis– ein Bienenharz, das im naturheilkundlichen Sinne als antibakteriell und entzündungshemmend gilt – ist eine gute Idee.
Make-up würde ich bei Akne eher für besondere Gelegenheiten aufheben und auch hier auf Naturkosmetik setzen. Im Alltag lassen sich die Pickel mit einem guten Abdeckstift kaschieren. Immer einen Versuch wert sindMeditationen oder Achtsamkeitsübungen. Denn ein gutes Stressmanagement kann den Stoffwechsel, das Hormonsystem und somit auch die Haut positiv beeinflussen. Warum also nicht auch mal als Teenie coole, oft kostenlose Meditations-Apps auf dem Handy ausprobieren?!“ *
Frag den Online-Doc
Keine Zeit, zum Hautarzt zu gehen? Die Teledermatologie-Plattform onlinedoctor.de erspart den Praxisbesuch. Wie’s geht? Man lädt ein Foto seines Hautproblems samt kurzer Beschreibung hoch und wählt einen Dermatologen aus. Innerhalb von zwei Tagen bekommt man eine Handlungsempfehlung. Die Techniker Krankenkasse, die HEK sowie private Krankenkassen übernehmen die Kosten bereits.
*z. B. Balloon, Calm oder Headspace
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